Kemptenerinnen und Kemptener gegen Diskriminierung schützen: Interview zum Antidiskriminierungskonzept
Auch Kemptenerinnen und Kemptener erleben alltäglich Diskriminierung. Der Integrationsbeirat hat von September 2023 bis Januar 2024 eine Bürgerbefragung zu ihren Erfahrungen mit Diskriminierung durchgeführt. Nun arbeitet der Beirat daran, Schlüsse daraus zu ziehen und was in Kempten zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger getan werden sollte. Die Federführung für dieses Projekt hat Abdulrahman Alshalaby. Er ist seit 2020 Mitglied des Integrationsbeirats.
Abdulrahman, wie kam es zur Befragung der Kemptener Bürgerinnen und Bürger?
Im Integrationsbeirat wurde immer wieder über Diskriminierung diskutiert, verständlicherweise oft auch hitzig. Die Ansichten waren dabei sehr konträr. Somit bestand keine gemeinsame Basis, um konkret gegen Diskriminierung vorgehen zu können. Da entstand die Idee, die Bürgerinnen und Bürger selbst in einer strukturieren Befragung zu fragen, ob sie Diskriminierung erlebt haben und wenn ja, welche und in welchen Lebensbereichen.
Bevor wir gleich weiter über die Ergebnisse sprechen, folgende Frage: Es kommt ein Marsmensch zu uns: Wie würdest du ihm in einfachen Worten Diskriminierung beschreiben?
Wenn eine Person schlechtere Chancen hat, ohne selbst etwas (Negatives) dafür getan zu haben. Z.B. Eine Frau bekommt einen Job nicht, da ihr zugeschrieben wird, dass sie Kinder haben möchte (und das wiederum vermeintlich in der Arbeitswelt schwieriger wäre). Diskriminierung ist somit ungerechtfertigte Ungleichbehandlung.
Was kam nun bei der Kemptener Befragung heraus?
Zunächst, dass auch Kemptenerinnen und Kemptener alltäglich Diskriminierung erfahren und dies ungefähr dem bundesweiten Niveau entspricht. Wenn wir die Lebensbereiche anschauen, dann besteht im Bildungsbereich, auf dem Wohnungsmarkt, bei der Polizei und im Internet und in den Medien ein erhöhtes Risiko Diskriminierung zu erfahren.
Nicht zuletzt erleben weibliche und migrantische Bürgerinnen und Bürger häufiger Diskriminierung als andere.
Sehr bemerkenswert ist auch die Folge von Diskriminierung: Zum einen sinkt die Lebenszufriedenheit bei den betroffenen Menschen und sie fühlen sich weniger sicher. Zum anderen haben sie gegenüber Institutionen weniger Vertrauen, z.B. gegenüber Bildungseinrichtungen, Behörden, Polizei. Aber auch gegenüber Parteien, Stadtrat und Regierung.
Welche Ergebnisse haben dich überrascht?
Der Vergleich mit den deutschlandweiten Daten. Beispielsweise, dass Kempten auf dem Wohnungsmarkt schlechter abschneidet, also dass sich Menschen hier stärker bei der Wohnungssuche benachteiligt fühlen.
Wie geht es nun weiter? Was folgt aus den Befragungsergebnissen?
Wir im Integrationsbeirat erarbeiten nun, was konkret in Kempten getan werden sollte, dass die Bürgerinnen und Bürger besser vor Diskriminierung geschützt sind.
Wenn ein Mensch immer wieder diskriminierenden Situationen ausgesetzt ist, wirkt das wie ein steter Tropfen, der den Stein aushöhlt. Es kann zu einem niedrigen Selbstwertgefühl und zu geringeren Leistungen führen. Es kann sogar die Bereitschaft zu Gewalt erhöht werden.
Andererseits sollten wir Menschen, die Diskriminierung erfahren haben, nicht alleine lassen. 66% gaben bei der Befragung an, dass sie versuchen, „die Diskriminierung zu ignorieren“. Das ist für sie persönlich schlecht und vermutlich auch ungesund.
Wie nun die Maßnahmen in Kempten konkret aussehen sollen, ist nicht einfach. Doch wir arbeiten daran und kommen gut voran. Wenn wir so weit sind, möchten wir unsere Strategie auch im Stadtrat vorstellen. Die Überschrift für das Gesamte lautet: Menschen in Kempten gegen Diskriminierung schützen.
Danke für das Gespräch!
Wenn Sie mehr zur Diskriminierungs-Befragung erfahren wollen, nehmen Sie gerne per E-Mail Kontakt zum Integrationsbeirat auf: integrationsbeirat@kempten.de
Sind Sie selbst von Diskriminierung betroffen?
Wenden sie sich an eine Beratungsstelle. Auch Angehörige und Zeuginnen und Zeugen dürfen sich dort melden.
Mobile Antidiskriminierungsberatung in Bayern:
https://www.agaby.de/schwerpunkte/projekte/mobile-antidiskriminierungsberatung-in-bayern
Antidiskriminierungsstelle des Bundes:
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/wir-beraten-sie/wir-beraten-sie-node.html
Die Durchführung des Projektes wurde vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gefördert.