Stadt Kempten Kempten erleben Kultur & Unterhaltung Ausstellungen Kunstausstellung 2021 Kunstpreis der Stadt Kempten 2021 Elisabeth Bader
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Kunstpreis der Stadt Kempten (Allgäu)

Der Kunstpreis der Stadt Kempten (Allgäu) wird Elisabeth Bader (*1978) aus Kempten für ihre beiden Werke ohne Titel (Schweigen) (ca. 12.000 Briefkuverts, Rollwagen) sowie „aufmüpfig“ (Grafit, Ölpastell, Papier) einstimmig zuerkannt.

 

Begründung der Jury

Elisabeth Bader arbeitet in dem Werk ohne Titel (Schweigen) mit dem für sie bekannten Medium Papier. Es ist zwar organisch, aber auch überraschend umgesetzt, weil die Arbeit mit dem gefundenen Postwagen zugleich objekthaft wird. Die Briefe wurden aufgerissen und die verletzten Ränder wirken filigran.

Die Künstlerin fängt in ihrer Arbeit etwas von der heutigen Kultur ein, etwas das uns vielleicht auch wieder verlässt, weil die Kulturtechnik des Briefeschreibens dem Untergang geweiht ist und durch Emails ersetzt wird. Eine Epoche, in der man noch Briefe schrieb, wird ins Archiv geschoben, sie wird beerdigt und gleichzeitig musealisiert. Der Wagen ist kompakt, massiv und sehr voll, aber gleichzeitig leer, durch die leeren Umschläge. Der Inhalt ist weg, was bleibt ist ein Sender und ein Empfänger, eine Hülle. Diese Nicht-Kommunikation korrespondiert mit dem Untertitel „Schweigen“. Diese Fülle und gleichzeitige Leere machen auch unsere Zeit aus.

Die Zeichnung „Aufmüpfig“ mit dem rebellischen Piepmatz sagt der Jury: „Ihr kriegt mich nicht klein!“ Die Zeichnung wird einfach an die Wand geklebt und wirkt uneitel.

Die Verletzlichkeit und Vergänglichkeit, ohne Vordergründig zu sein, haben die Jury bei diesen beiden Werken sehr bezirzt.

 

Elisabeth Bader über ihre Arbeit

ohne Titel (Schweigen)

Als die Arbeit fertig war, ist sie mir entglitten. Das ist mir noch nie passiert. Formal war ich endlich zufrieden. Nach einem jahrelangen Entstehungsprozess, zwischen meditativem Kleben, Verwünschungen, was ich schon wieder gefühlt Endloses begonnen habe, steht sie nun auf ihren eigenen Rädern. Jetzt muss ich sie loslassen. Das schwere Schweigen ist mobil geworden.

Der Ursprungplan war, eine Schweigemauer aus vielen Einzelblöcken zu bauen. Die Idee kam bei einer Dokumentation über die Klagemauer in Jerusalem. Gläubige stecken in die Ritzen des Mauerwerkes Briefe, Wünsche, Gebete. Eine wunderbare Symbolik. Unsere persönliche Kommunikation erfolgt kaum noch über den papiernen Weg. Das Internet hat den Brief großenteils ersetzt. Schnell, praktisch, vergessen. Trotzdem findet sich noch einiges an Post in unserem Briefkasten. Rechnungen, Berufliches, Werbung. Eine Glückwunschkarte! Die Hüllen der Korrespondenz landen im Müll. Ich habe sie gesammelt und sammeln lassen, die vielen Kuverts, ohne die zu schützenden Worte, sie geballt zusammengefasst. Doch mein Plan ging nicht auf, die Mauer hatte nicht die gewünschte Stabilität. Grübeln. Beim Atelierumzug wurden die Blöcke zum vereinfachten Transport auf einem Rollwagen gestapelt. Das war es! Die Mauer ist verschwunden. Die Arbeit hat sich verselbstständigt. Ich bin etwas melancholisch.

 

„aufmüpfig“

Da sitzt es, mein Vögele. Auf einem schwarzen großen Etwas mit seinen dünnen stakseligen Beinchen, keck den Schnabel erhoben, linst es nach unten. So! Hier bin ich! Mach was du willst. Ich bleibe hier! Wo ist mein Wurm? Du könntest ein bisschen den Garten umgraben, dann hüpfe ich dir hinterher und durchsuche die aufgewühlte Erde. Was, du willst nicht??? Das Rotkehlchen knickst. Nun schimpft es - teck teck teck teck teck. Hm.

Das Ankommen in meinem neuen Atelier vor einem Jahr war schwierig. Ein Jahr habe ich kaum gearbeitet, unser Kind kam auf die Welt, Wechsel des Wohnortes, Atelierumzug. In der wenigen Zeit, in der ich wieder künstlerisch tätig sein konnte, machten meine Groß- und Langzeitprojekte wenig Sinn. Aber Zeichnen. Vögel, Insekten, andere Tiere. Die Beobachtung und Hinterfragung von Flora und Fauna ist seit Jahren meine Leidenschaft und Bestandteil vieler Werkprozesse. Auf einmal war da das Rotkehlchen. Es hüpfte auf eine alte Zeichnung aus meiner Studienzeit in Madrid. Ein Stadtrotkehlchen? Freunde entstanden, damit es nicht alleine ist. Kurz darauf wurde es zum Vogel des Jahres 2021 gekürt. Gratulation! Liebes Rotkehlchen, ich freue mich immer, wenn ich in aller Früh deinen stimmungsvollen Gesang höre.

 

 

Vita Elisabeth Bader

(Kempten)

1978           geboren in Kempten / Allgäu, aufgewachsen in Betzigau

1997           Abitur in Kempten, Allgäu-Gymnasium

1998–2004 Studium der Kunstpädagogik und Sonderpädagogik / Gehörlosenpädagogik (LMU München)

2004–2005 Malerei, Radierung und Lithographie an der Facultad de Bellas Artes, Universidad Complutense de Madrid

2005–2007 Arbeit mit Künstlern mit geistiger Behinderung

Redaktionelle und organisatorische Mitarbeit am 4. Europäischen Kunstpreis EUWARD 2007

2013/2014   Atelierförderung des Freistaates Bayern

2018/2019  Gestaltungsaufträge für den DACHSER-Award

2010           Kunstförderpreis der Dr.-Rudolf-Zorn-Stiftung, Kempten

2010           Familie Paul Breitkopf-Preis, Marktoberdorf

2012           Kunstpreis der Skulptura 12, Buxheim

2013           Skulpturen-Sonderpreis, Irsee (Gemeinschaftswerk mit W. Becker)

2016           Füssener Förderpreis für junge Kunst

2018           Krumbacher Kunstpreis sowie Ausstellungsstipendium der Sparkasse Allgäu

 

Einzel- und Gruppenausstellungen (Auswahl)

2021           "Der andere Blick", Villa Jauss

2019           "artgerecht", Kunsthalle Kempten [E]

2017           "Wenn ich das wüsste", Rathaus Stadtbergen [E]

2016           "Gratwanderung", Kempten, Kleines Kunstforum 9c [E]

                   "Stille finden", Kunstverein Neckar-Odenwald [E]

2015           "Trichoptera", Schwabentag-Symposium

                   "Verlagert", Kunstverein Leutkirch (mit C. Dittrich u. B. Rummert)

                   "Im Inneren", Herz Jesu Kirche, Augsburg

2014           "Doppelleben", Kunstverein Bobingen (mit G. U. Richter)

                   "Zeitspeicher", Galerie am Stall, Hude (mit B. Rummert)

                   "Malerei–Objekt", Künstlerhaus Ulm (mit U. Siehler-Steidl)

2013           "erinnerungsspeicher", Berlin, kunstraum t27, Kunstverein Neukölln

"Landschaft in Schwaben heute – zehn Sichtweisen", Schwäbische Galerie Oberschönenfeld

                        "Wohngemeinschaft", Kornhaus Weiler (mit A. C. Neidhart und C. Hof)

2011           "Dialog", Textilmuseum Augsburg

 

künstlersozietät mennel rummert bader hof | raumzeit

2019 Heidenheim, Kunstverein; 2017 Erlangen, Kunstverein; 2016 Landshut, Kunstverein; 2015 Bad Aibling, Kunstverein; 2014 Nürtingen, Kunstverein

2013 Ebersberg Alte Brennerei, Fürstenfeldbruck Haus 10, Nürnberg Kreisgalerie; 2012 Kempten, Hofgartensaal der Residenz

 

Öffentliche Ankäufe

Stadt Kempten, Sparkasse Kaufbeuren, DACHSER

 

Foto: Foto Sienz

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