Der Vergangenheit eine Stimme geben – Befragung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen
Seit 2022 werden Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu ihren Erinnerungen an Nationalsozialismus und Nachkriegszeit befragt. Die Interviews werden dokumentiert und archiviert.
Gemeinsam mit dem Heimatverein setzt das städtische Kulturamt seit 2022 ein Projekt um, in dem Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu ihren Erinnerungen an die NS-Zeit und die direkte Nachkriegszeit in Kempten befragt werden. Die Interviews führt die Historikerin Dr. Veronika Heilmannseder. Sie werden entweder als Ton- oder als Filmaufnahme dokumentiert, anschließend transkribiert und im Stadtarchiv Kempten für zukünftige Forschung, Ausstellungen und Vermittlungsarbeit aufbewahrt.
Das Ziel des Projektes ist es, noch vorhandene Erinnerungen an die Zeit des Nationalsozialismus und an die Nachkriegszeit in Kempten für die Zukunft zu sichern.
In mittlerweile 18 Interviews wurden 16 Menschen, die aus Kempten stammen oder Kempten in eindrücklicher Weise verbunden sind, befragt und ihre Aussagen aufgezeichnet. Die Erzählungen der Befragten brachten u.a. hervor, dass die NSDAP und ihr Unrechtsstaat von 1933 bis 1945 sehr unterschiedlich erlebt und aufgefasst wurden. Es gab Erlebnisse von unmittelbarer Gewalteinwirkung durch Staat und Parteiorgane sowie alltäglicher Angst und Sorge um Verfolgung. Es gab auch positiv erinnerte Berührungen mit der NSDAP und ihren Einrichtungen.
Damit zeigt sich: Man konnte innerhalb Kemptens ganz unterschiedliche Erfahrungen mit dem NS-Regime machen, abhängig u.a. von Wohnlage und Herkunftsmilieu der Befragten.
In der Gesamtschau entsteht nach und nach ein lebendiges Bild, wie die Stadtgesellschaft den Nationalsozialismus und die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte. Oftmals sind es kleine Geschichten und Erinnerungen, die dabei helfen, die Kemptener Sicht anschaulich und spezifisch zu dokumentieren.
Beratung und Unterstützung für das Projekt Zeitzeugen in Kempten
Beratende und unterstützende Institutionen im Vorfeld waren etwa die KZ-Gedenkstätte Dachau, die Werkstatt der Erinnerung von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg, das Projekt Oral-History.Digital und die FU Berlin, das Stadtmuseum Kaufbeuren, das von 2018 bis 2020 das Projekt „Kaufbeuren unterm Hakenkreuz“ und im Anschluss ein Zeitzeugen-Projekt durchführte, Dr. Markus Raasch von der Universität Mainz, der das Projekt „Neustadt an der Weinstraße und der Nationalsozialismus“ leitete und weitere.
Neuer Aufruf - Wer hat noch Erinnerungen an die Nachkriegszeit?
Die Befragung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen soll in den nächsten Jahren fortgesetzt werden. Für weitere Interviews werden Personen gesucht, die von ihren Erinnerungen an die Nachkriegszeit, darunter auch Heimatvertriebene, erzählen können. Menschen, die sich für ein Gespräch zu Verfügung stellen möchten, können sich im ersten Schritt im Stadtarchiv unter 0831-2525-1735 melden. In der Folge nimmt die Person, die das Interview führen wird, Kontakt auf, um gemeinsam einen Termin zu vereinbaren.
Foto: AdobeStock_Gabriele Rohde